Alexis Ludwig
excoursion in sound

Rand-Zone:





Meine Aufgabenstellung war, die Entwicklung und Herstellung eines polyphonen, analogen, nicht modularen Synthesizers, der als einzeln stehendes Gerät, ein möglichst breites Spektrum an hörbaren Frequenzen abbilden kann. Dabei sollte mit bedacht werden, das es sich um ein relativ einfach zu bauendes Instrument handeln sollte, da ich beabsichtige, mein erarbeitetes Wissen in einer Workshopreihe zu teilen und es möglich sein soll, Rand-Zone so, oder ähnlich nachzubauen, auch ohne Elektrotechnik studiert haben zu müssen. Als erstes Fazit, kann ich sagen: Das Experiment ist geglückt. Die Maschine steht auf dem Tisch und sie kann machen was sie soll und will. Es ist möglich polyphone Töne zu generieren und diese auf verschiedene Weise zu manipulieren und hörbar zu machen.

Basis

In den Monaten Februar und März 2024 habe ich mich intensiv mit der Forschung auf dem Gebiet der hörbaren Frequenzen beschäftigt und an einigen Prototypen für die Oszillatoren gearbeitet. Dabei bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass es für mein Projekt Rand-Zone die beste Variante ist, mit vornehmlich zwei Frequenzbereichen zu arbeiten, damit eine „musikalische Spielbarkeit“ des Gerätes gegeben ist. In der Folge habe ich zwei Mal zwölf Oszillatoren mit dem jeweils gleichen, nutzbaren Frequenzfeld gebaut. Eines mit Bereichen bis unter 20 Hz (<E0) für die tieferen Bereiche und eines mit bis zu 2500 Hz (>D7) für die hohen Areale. Darüberhinaus habe ich zwei weitere Oszillatoren entwickelt, welche die jeweiligen Extreme abbilden können, dies bis in Bereiche, die jenseits des menschlichen Gehörs liegen. Die Oszillatoren beruhen auf dem den Effekt des „reverse avalanche“ und sind somit unabhängig von Chips bzw. IC’s. Die verwendeten Bauteile sind denkbar simpel: Widerstände, LED, Kondensatoren und Transistoren. Die Basis bilden jeweils ein BC 337- 40 Transistor, der mit Hilfe von verschiedenen Kondensatoren in Schwingung gebracht wird, wobei die Werte des Kondensators maßgeblich für die erzeugten Frequenzen sind. Je hoher der Wert in uF (Micro Farad) umso tiefer die Frequenz bzw. der erzeugte Ton. Unter Verwendung von Potentiometern (regelbare Widerstände), lässt sich die Frequenz einstellen bzw. das Gerät stimmen. Ich habe die Option integriert, den Ton entweder per Tastendruck oder schaltbar als Dauerton zu erzeugen. Mit den jeweiligen zwölf Oszillatoren lassen sich nahezu alle Tonfrequenzen einstellen und es ist möglich mit Hilfe der Taster die Töne so anzuordnen wie es beliebt, um eigene Patterns einfach spielen zu können. Diese Taster orientieren sich an einer Klaviatur. Theoretisch ist es möglich mit Rand-Zone zwei komplette Oktaven zu modellieren. Die Frequenzbereiche sind so arrangiert, das ein sanfter Übergang von Tief zu Hoch möglich ist.
Dies ist die tonale Basis von Rand-Zone.

Modulation

In einem weiteren Bauabschnitt sind die Modulatoren entstanden. Um dem monotonen Brummen eines einzelnen Oszillatoren eine gewisse Musikalität zu verleihen, bedarf es Modulationen. Die erste dieser Art in meiner Reihe bilden zwei Schaltkreise, die aus dem stehenden Signal ein auf- und abschwellendes erzeugen. Dabei kann eine gewisse Rhythmik entstehen, die je nach Einstellung der fünf Manipulatoren von kurzen technoiden Sounds bis hin zu langsam ansteigenden oder abrupt endenden Klängen reicht. Für die Umsetzung dieser Modulation habe ich ein schon bestehendes System modifiziert. Aufbauend auf dem Tremolo-Effekt von Das Musikding, habe ich mit Hilfe von selbst gebauten Vactrols den Signalweg manipuliert. Vactrols sind sogenannte Opto-Koppler die aus einer LED und einem Photowiderstand bestehen. Das Signal wird in Lichtimpulse gewandelt und bringt die LED zum Leuchten, der Photowiderstand nimmt das Signal wieder auf, dies jedoch ohne eine direkte physische Verbindung. Die einzelnen Stromkreise sind somit galvanisch voneinander getrennt und beugen damit Störsignalen vor.  Darüberhinaus habe ich die Vorverstärkung des Signals mittels Potentiometers einstellbar gemacht, was gleichzeitig als eine Art Volume-Regelung fungiert.
Nach intensiver Auseinandersetzung mit früheren Entwicklungen und dem Studium aktueller Werke von ähnlichen Instrumenten, bin ich zu dem Entschluss gekommen, mein Dogma vom rein analogen Gerät etwas aufzuweichen. Ich habe mich entschlossen als Sampler einen vorgefertigten Looper aus dem Effektgerätesortiment für Gitarre spielende Menschen zu wählen. Es handelt sich um zwei Fame „nano-Looper“. Diese bieten breitere Möglichkeiten für Samples, wie rückwärtiges Abspielen und Variation im Abspieltempo, ausserdem ist die Aufnahmezeit mit knapp 10 Minuten deutlich länger, als bei den von mir angedachten ISD1820-Einheiten mit knapp 25 Sekunden. In einem Vorläufermodell habe ich zwar gute Erfahrung mit dieser Platine gemacht, doch für das Projekt Rand-Zone hat sich ergeben, das die längere Aufnahmezeit und die bessere Soundqualität von Vorteil für den Gesamtklang sind. Für das ganze Projekt, war für mich wichtig, mit „nicht destruktiven Loops“ zu arbeiten, was anders als bei digitalen Delays zur Folge hat, dass das Signal erhalten bleibt und ich es nach Belieben wieder in den Ursprungszustand zurückversetzen kann.
Für die Delayabteilung habe ich mich bewusst für den PT2399-IC entschieden, da dieser Chip eine nahezu analoge Modulation erlaubt. Um dem Ganzen die im Vorfeld beschriebenen Möglichkeiten zu geben habe ich auf die Idee zurückgegriffen, diese Systeme miteinander spielen zu lassen, indem ich sie gekoppelt habe. Das bedeutet, das Tonsignal wird durch beide Chips geschickt und damit doppelt moduliert. Ich vervielfältige das Echo des ersten Delays, mit der Wiederholungsrate des zweiten. Durch die Möglichkeit des Umschaltens auf die andere Seite von Rand-Zone, kann das Tonsignal ebenfalls durch die beiden jeweils gegenüberliegenden  Delays geschickt werden, womit eine Vervierfachung des Echoweges bzw. des Signalweges möglich ist. Dies ist trotz des digitalen Loopersignals, aufgrund des analogen Signalweges ein recht Lo-Fi klingender Sound, doch das Prinzip wird deutlich sichtbar. Es ist scheinbar möglich mit der Zeit zu spielen, sie zu manipulieren, zu strechen und dehnen. Ebenso wird durch die Wiederholung des Signals durch den Looper und der Manipulation durch die Delays, das System von geradliniger Zeit spielerisch in Frage gestellt. Wie gehofft, lässt sich das Ganze bis zu einem bestimmten Punkt bewusst steuern. Aufgrund von zusätzlich eingebauten, möglichen Signalwegen lässt sich aber auch ein Punkt erreichen, ab dem das Tonsignal „eigene“ Wege beschreitet und Unvorhergesehenes passiert. Innerhalb der Delaysektion kann es bei bestimmten Stellungen der Potentiometer zur Selbstoszillation des gesamten Tonsignals kommen, was zur Folge hat, das sich die Töne quasi selbst generieren, die Echos untereinander interagieren. Dabei beginnt ein Eigenleben, welches sich durch den, die Maschine bedienenden Menschen nicht mehr vorhersagen lässt. Dies ein Versuch eine rudimentäre analoge künstliche Intelligenz zu kreieren. Es lässt sich bestimmt darüber streiten, in wie weit so ein System mit einer Intelligenz zu vergleichen ist, doch finde ich, alles was sich selbst generieren kann und einen Fortbestand hat, sei es auch nur im künstlerischen Sinn, könnte zumindest als Vorstufe dessen gelten, was allgemein als Intelligenz bezeichnet wird.
Als letzte Einheit im Signalweg ist eine Nachhall-Einheit (Reverb) verbaut, das ich, inspiriert von einem schon bekannten Schaltkreis, modifiziert habe um dem dort wieder zusammengefügten Signal aus beiden Sektionen von Rand-Zone, einen räumlichen Aspekt mit auf den Weg zu geben. Es ist möglich den Effekt von trockenen Räumen, bis hin zu hallenden Kellern wiederzugeben. Denkbar ist, dies als Stereo-Signal auszugeben, bei dem von mir gebauten Prototypen, handelt es sich jedoch um ein zusammengeführtes Mono-Signal.

Klang und Möglichkeit

Zur Signalabnahme, lässt sich somit ein (bis zu) Sieben-Wege-System erzeugen. Mittig in der Front, das Signal aus dem Reverb, welches beide Seiten von Rand-Zone beinhalten kann. Dann gibt es jeweils einen Ausgang für das Signal der beiden Doppel-Delays für die tiefen bzw. hohen Frequenzbereiche (rechte Seite / linke Seite des Instruments). Weitere Möglichkeiten das Signal abzunehmen sind jeweils vor bzw. nach dem Looper. Vor dem Looper kommt das Signal trocken von der Tremolo-Einheit, nach dem Looper entsprechend geloopt. Da es sich um, rechts wie links, identische Systeme handelt, sind hier theoretisch 4 mögliche Ausgänge vorhanden.

Probleme

Trotz sorgfältiger Kontrolle auf identisches Material und gleiche Werte der Bauteile ergeben sich bei einigen Oszillatoren unterschiedliche Klangmuster. Der Grund für diese Differenz konnte nicht ermittelt werden. Für den Betrieb stellt dies nur eine kleine Beeinträchtigung dar, da es sich um ein experimentelles Musikinstrument handelt.
Im Vorfeld habe ich nicht bedacht, das verschiedene Modulationen unterschiedliche Lautstärke-Level erzeugen, dadurch ist es schwieriger alle Signale auf einer Lautstärke-Ebene zu hören. Dies kann bei weiteren Versuchen durch kleine Vorverstärker oder Buffer abgefedert werden.

Fazit

Mit Rand-Zone ist es mir gelungen, das im Vorfeld angedachte Gerät mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln und Fähigkeiten so zu entwickeln, wie ich es erhofft hatte. Es ist ein mehrkanaliger, polyphoner Synthesizer entstanden, der in der Lage ist in mehreren Schichten Töne überlagern zu lassen und ein breites Frequenzspektrum abbildet. Das Instrument ist in Aufbau und Funktionsweise relativ einfach und nachvollziehbar. Im Rahmen des Stipendiums habe ich mich intensiv mit der Forschung zu Frequenzbereichen und deren Aufbau in analogen Systemen beschäftigt und freue mich darauf, das neu erworbene Wissen in Zukunft teilen zu können. Derzeit plane ich eine konzertante Veranstaltung mit befreundeten Musiker*innen, bei der ich das Instrument in der Öffentlichkeit präsentieren kann. Ich möchte mich an dieser Stelle bei der Stadt Köln bzw. dem Kulturamt für dieses Stipendium bedanken. Ohne diese Unterstützung wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.



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